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Mein erster Alpencross 2001 mit meiner MTB-Gruppe  TEAM NOBrake - Joe Route: Oberstdorf - Gardasee (Riva): 432 km / 14.100  Hm / höchster Punkt: Dreisprachenspitze, 2.843 m / 7. Etappen




Rasta hei Tike
(über jeden Berg führt ein Weg)

Diese Aufzeichnungen habe ich während der Tour  geschrieben. Ich sitze hier und versuche die verlaufenen Buchstaben auf  dem während der Tour völlig durchnäßten Block zu rekonstruieren. Lese  das, was ich in den Abenden auf den Hütten unter dem Licht der  Taschenlampe noch schnell notiert habe, bevor mich die Müdigkeit eines  oft nur kurzen Schlafes überkam.






16.09.01

Der erste Tag der Tour. Gegen 6:00 aufgestanden.
Es hat die ganze Nacht über geregnet. Harte Matratzen, rauhe dünne Bettdecken, Kälte, kaum Schlaf. Wir liegen mit sieben Mann auf einem Zimmer. Die Ausrüstung ist gepackt und wird immer noch einmal überprüft: was muss ich wirklich mitnehmen, wo kann man noch an Gewicht sparen. Wir sind alle nervös. Ungewiss, wass die nächsten Tage bringen werden. Der Wetterbericht verheißt nichts Gutes: Schneefallgrenze sinkt auf 1700 m. Man möchte auf keinen Fall an warmen Sachen sparen, aber: werden sie ausreichen?
Wir gehen jetzt zum Frühstück.

Das Wetter ist schlechter als erwartet. Wir kämpfen uns durch Schneemassen. Es ist nasskalt. Der Schrofenpass ist eine Kletterpartie. Kälte, Nässe, Schneefall, Nebel. Die Schlucht des Schrofenpasses ist im Nebel kaum zu erkennen. Angst bei der Glätte Abzustürzen, man kann die Tiefe durch den Nebel nicht sehen, dass beruhigt, auch wenn die eigenschränkte Sicht einem etwas vorspielt.

Vor dem Aufstieg zeigt unser Guide Michael uns, wie man richtig fällt, wenn man mal in einen Abhang abrutschen sollte: "Das Bike haltet ihr immer auf der Seite des Abrundes. Wenn das runterfällt, dann ist das nicht so schlimm, als wenn ihr dort unten liegen würdet. Wenn ihr mal abrutschen solltet, dann denkt daran, wie eine Katze fällt. Sie fällt auf alle vier Beine. Daran müsst ihr denken: niemals vorwärts einen Abhang hinabrutschen, denn ihr werdet euch überschlagen und abstürzen. Wenn ihr dagegen versucht wie eine Katze euch an den Abhang zu klammern, habt ihr die Chance euch selbst zu bremsen...ansonsten seit ihr verloren. Also denkt daran."

Michael erklärte dass, als sei es das normalste von der Welt. Bislang hatten wir noch keine steilen Stellen passiert, aber ich sah aus dem Tal, in dem wir gerade standen keinen Ausweg. Es war unrandet mit hohen mit Schneebedeckten Bergen, die weit über die Vegetationsgrenze hinausragten. Wo sollte es hier weitergehen? Der Guide zeigte auf eine Felswand und sagte, dass wir dort durchgehen würden. Ich blickte auf die Wand und konnte es nicht glauben. Wir zogen die Gamaschen aus, um nicht abzurutschen, durchquerten bis zum Fuß der Wand eine Wiese, die durch die Nässe völlig verschlammt war. Meine Füßte versanken mehr als knöcheltief im Schlamm, aber ich ignorierte es, merkte zwar wie meine Füße ohne die Gamaschen nass wurden, aber stampfte weiter und schob das Rad Meter für Meter. Fahren war bei dem Schlamm und der Steigung unmöglich.

Und tatsächlich ein schmaler Pfad führt die Felswand hinauf. Die Linke Hand hielt das Rad, die rechte klammerte sich an den Fels. Nebel umgibt uns, Schnee fällt einem ins Gesicht, der Weg scheint raum- und zeitlos. Man hört nur das Pfeifen des Windes unter dem Helm und der Kaputze des Nässeschutzes und das schwere Atmen von einem selbst. Ich schreite voran, den Blick gesenkt. Jeder Schritt muss sitzen. Der Blick ins Tal ist durch den Nebel versperrt. Ich weiß nicht, auf was ich mich hier eingelassen habe. Wir alle denken: das glaubt uns keiner, was wir hier machen...

Wir haben die Passhöhe erreicht und steigen an der anderen Seite wieder ins Tal ab. Bei dem Schneetreiben und der Nässe sind nur wenige Passagen fahrbar.

Mittagspause im Tal. Spaghetti beim Italiener. Untere Kleidung ist völlig verschlammt und durchnäßt. Wir ziehen uns vor der Tür aus, ziehen trockene Sachen aus dem Rucksack an, bevor man uns zur Tür hereinläßt. Heißer Tee, der tut jetzt gut. Draußen sogar hier im Tal: Schneefall. Wir wollen trotz des Wetters auch den zweiten Teil der Tagestour versuchen: Aufbruch zur Freiburger Hütte. Wieder ein Höhenpass, der aber durch einen Weg erschlossen ist. Doch nach wenigen hundert Höhenmetern sind wir schon wieder jenseits der Schneegrenze. Der Schnee macht das fahren sehr beschwerlich. Irgendwann müssen wir alle absteigen, um die Räder wieder zu schieben. Je höher wir aufsteigen, desto tiefer sinken die Temparaturen.

in kalter Wind weht auf der Passhöhe, meine linke Gesichtshälfte ist fast völlig erstarrt. Der Weg ist nicht mehr erkennbar. Ich denke nicht mehr nach, sondern schiebe nur noch mein Rad, in der Hoffnung die Hütte irgendwann zu erreichen. Der Guide sagt, dass dies der schlechteste September seit er denken kann sei...

Die Gruppe zieht sich auseinander und verliert sich im Schnee. Ich falle zurück und bleibe mit einem anderen hinten. Wir ermuntern uns gegenseitig durchzuhalten. Der Schnee liegt fast 30 cm hoch. Die Spuren der anderen Gruppenmitglieder sind in kürzester Zeit verweht. Wir können kaum noch, aber wir gehen weiter. Wir kommen an einen Bergsee, der Formariensee heißt, wie ich später erfahre. Am Abend sagt mit der Guide, dass sie hier vor wenigen Wochen während der Tour noch baden gegangen sind. Unglaublich: wäre heute jemand in den Bergsee gesprungen, er wäre kurzerhand an Unterkühlung gestorben. Wir erreichen völlig geschafft, verschwitzt und durchnäßt die Hütte.

Abendessen. Es wird über die morgigen Schneehöhen an der nächsten Hütte diskutiert. Die Hütte hat ein Satellitentelefon und der Guide erfährt: 30-40 cm. Wir werden die Räder also größtenteils schieben müssen. Es wird schwer werden, sagt der Guide, aber ihr werdet es schaffen.

Wir werden morgen um 6:00 losfahren, um die Tour überhaupt vor Einbruch der Dunkelheit zu schaffen. Ich rufe meinen Vater an. Ich sage ihm nur, dass ich an der Hütte angekommen bin und das alles o.k. ist. Er soll sich keine Sorgen machen. Meine Gedanken an dem Abend: ich möchte die Tour einfach nur noch heil überstehen, egal wie.

Die Regeln bei diesen schlechten Wetterverhältnissen sind klar sagt der Guide: absolute Vorsicht: wer einen technischen Defekt hat, wer sich verletzt und gar nicht weitergehen kann, der kühlt schnell aus. Dann kommen wir in größte Probleme, da bei dem Wetter kein Rettungshubschrauber fliegen kann und es lange dauern kann, bis euch die Bergwacht hier herausholen kann. Also: seit vorsichtig!


17.09.01

5:30 wecken.  
Die Nacht hat man ganz gut geschlafen. Die Hütte war ganz o.k. Nur dass es kein warmes Wasser gab: daher nur „Katzenwäsche“. Ich bin sogar schon kurz vor 5:30 wach. Hektik beim Anziehen, der Zeitplan muss eingehalten werden. Die Sachen im Trockenraum, in den wir am Vorabend unsere Kleidung gebracht hatten, sind z.T. noch nass. Frühstück und Aufbruch. Vor der Hütte liegen über 30 cm Schnee. Es hatte in der Nacht weiter geschneit.  
1000 Höhenmeter Abstieg. Das Wort Abstieg ist richtig, denn wir können die Räder durch den tiefen Schnee nur schieben. Schweres Gelände. Man stolpert, rutscht, fällt, steht auf, schiebt weiter.

Übernachtung im Hotel. Es ist eine Wohltat heiß zu duschen. Am nächsten Tag, soll es aber wieder auf die alte Route gehen. Schmerzen im Knie. Ich schlucke Aspirin gegen die Entzündung. Abendessen und Schlaf.


18.09.01

Der erste Tag mit Sonnenschein. Die Sonnenstrahlen sind nach all der Kälte und Nässe eine Wohltat. Nur noch leichte Probleme mit dem Knie. Straßenfahrt, dann Aufstiegt zu einer Alm. Über 700 Höhenmeter.
Der Anblick der Berge und der Sonne lassen die Quälerei vergessen. Mittagessen auf der Alm: Käseplatte.

Weiterer Aufstieg. Wir ziehen uns warm an, da wir in ca. 1800 Meter Höhe wieder die Schneegrenze passieren werden. Wir klettern mit den Bikes durch die Undina-Schlucht, einer herlichen Schluchtgalerie, die im vorletzten Jahrhundert erbaut worden ist. Über 100m kann man in die Tiefe Blicken

Am Ende der Schlucht gelangen wir auf eine Hochebene. Hier verläuft die Grenze zwischen Österreich und Italien. Ein Moorgebiet. Aber man kann mit den Bikes fahren. Wir erreichen auf italienischer Seite die Sesvenna Hütte. Sie ist nicht verschneit. Hier weiter im Süden, waren die Schneefälle nur sehr gering. Aber kalt ist es: bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, schrauben wir beim Einbruch der Dunkelheit an unsren Bikes. Verschlissene Teile müssen ausgetauscht werden, Bremsen nachgestellt , die Ketten geölt werden. Wir überprüfen die Ausrüstung jeden Abend, da sie wichtig ist für den nächsten Tag und morgens beim Aufbruch keine Zeit mehr dafür bleibt. Auf der Hütte wider erwarten heißes Wasser, für dass man allerdings extra bezahlen muss. Ich wasche mich mit kaltem Wasser.

Wir sitzen beim Abendbrot. In der Hütte ein kleiner Altar mit Blumen, Kerzen und Bildern verunglückter Bergsteiger: „Durch einen tragischen Unfall starb am ..... Herr / Frau .....“.  
Draußen ein Wetterumschwung. Es beginnt wieder zu schneien.Wir schlafen alle in einem Raum. Keine Heizung nur rauhe Decken. Es wird eine unruhige Nacht
Am nächsten Morgen ist rings um die Hütte alles weiß.

Abstieg ins Tal. Unten im Tal ist es kalt, aber Trocken. In einem winzig kleinen Städchen machen wir eine kleine Rast vor dem nächsten Anstieg.
 
In den darauffolgenden Tagen wurde das Wetter besser. Sonnnenschein. Nur bei der Ankunft in Riva am Gardassee selbst wieder Regen. In den restlichen Tagen der Tour, habe ich kein Tagebuch mehr geschrieben.

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